Feierliche Enthüllung der Bronzebüste von Prof. Grosser

„Ich mag keine Mythen“ 

 

Professor Alfred Grosser lobt anlässlich der Enthüllung seiner Büste im Schulzentrum die vielen deutsch-französischen Freundschaften in der Bevölkerung 

 

Die Feiern zum Elysée-Vertrag seien übertrieben gewesen, sagte bei einer Diskussion mit Oberstufenschülerinnen und -schülern des Gymnasiums der Namensgeber des Schulzentrums in Bad Bergzabern, der Pariser Politikwissenschaftler Professor Alfred Grosser. Die deutsch-französische Freundschaft habe gleich nach dem Krieg mit vielen kleinen Initiativen begonnen. Er selbst habe in der Résistance gegen Deutschland gekämpft und Teile seiner Familie in Konzentrationslagern verloren und sich dennoch für die Freundschaft zwischen Deutschen und Franzosen eingesetzt. Alfred Grosser sprach vor der Enthüllung einer Büste mit seinem Konterfei im Foyer des Gymnasiums mit Schülerinnen und Schülern des elften und zwölften Jahrgangs.

 

Lange vor dem Elysée-Vertrag, der sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährt, hätten er und seine Mitstreiter Begegnungen zwischen jungen Deutschen und Franzosen organisiert. Er erzählte zum Beispiel von einer Begegnungsstätte im Schwarzwald, in der ehemalige Führer der Hitlerjugend mit jungen Franzosen zusammentrafen. Auch er sei zwei Jahre nach Kriegsende dort gewesen. „Ich hatte schon ein mulmiges Gefühl, weil ich dachte, dass genau dieselben Leute mich zwei Jahre zuvor auf Befehl in einen Gasofen geschubst hätten“, sagte Alfred Grosser. Aber er habe immer geglaubt, dass man Begegnungen zwischen jungen Deutschen und Franzosen schaffen müsse, um Versöhnung zu stiften. Der Elysée-Vertrag selber hätte nur verstärkt, was es ohnehin schon gab, zum Beispiel mit der Schaffung eines deutsch-französischen Jugendwerks. Dass er aber so bedeutend sei, sei ein Mythos. „Und ich mag keine Mythen, ich mag die Realität“, sagte Alfred Grosser. „Da gab es viele Freundschaften zwischen den Bevölkerungen, selbst wenn es zwischen den Staatslenkern mal nicht so gut lief“, erläuterte er.

 

Viele Schüler stellten Professor Grosser, der auch Träger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels ist, Fragen und waren begeistert von seiner lockeren Art. Immer wieder streute er Bonmots in seinen Vortrag, kritisierte aber auch die gegenwärtige europäische Politik: „Angela Merkel und Francois Hollande fordern beide mehr Europa, geben aber weniger Geld!“ Es brauche mehr Europa, mehr Vorschläge für die weitere europäische Einigung und zum Beispiel eine gemeinsame europäische Verteidigung. Auf die Frage eines Schülers nach dem Militäreinsatz in Mali sagte Professor Grosser, dort gehe es wirklich auch darum, die Menschen gegen ein diktatorisches Regime zu verteidigen und nicht etwa nur um Bodenschätze.

 

Auch den Schülern gab er etwas mit auf den Weg; sie sollten nicht von „den Franzosen“ oder „den Deutschen“ sprechen. Es komme immer auf den einzelnen an. Es gebe aber zum Beispiel in Deutschland wieder viele klischeehafte Vorstellungen, zum Beispiel tauchten wieder verstärkt Karikaturen vom Franzosen mit Baguette und Baskenmütze auf. Die Schüler rief er auf, Vorurteile abzubauen. Auch sollten sie Freude haben bei dem, was sie tun und hartnäckig bei der Verfolgung ihrer Ziele sein.

 

Der Leiter des Gymnasiums Philipp Gerlach bedankte sich bei den Schülern der berufsbildenden Schule Bad Bergzabern, die den Sockel der Büste gestaltet hätten, bei Franz Leschinger, Kunstlehrer am Gymnasium, der die Büste gestaltet und gespendet hätte, bei Landrätin Theresia Riedmaier, die eine Spende der Sparkasse vermittelt habe, bei den Hausmeistern, die den Sockel lackiert und montiert hätten sowie bei den Musiklehrern, die die Enthüllung der Büste musikalisch begleiteten. Anwesend waren auch der Kreisbeigeordnete Nicolai Schenk, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hermann Bohrer sowie der Leiter der Realschule im Alfred-Grosser-Schulzentrum Ludwin Michels. Die Landrätin des Landkreises Südliche Weinstraße Theresia Riedmaier betonte, dass an dieser Schule die Künste einen besonderen Platz hätten.

 

Alfred Grosser selbst gab sich bei der Enthüllung der Büste bescheiden und sagte augenzwinkernd: „Ich hoffe, dass hier bei meinem nächsten Besuch die Büste eines erfolgreichen Schülers steht.“

VOL 2/13; Bild: ER

 

RP Grosser Büste kl

 

aus: DIE RHEINPFALZ – Ausgabe Südliche Weinstraße; 16.2.2013; S.21