Kunstausstellung des Comenius-Projekts „Europäische Erinnerungen“ im Kreishaus SÜW eröffnet

Bei der Eröffnung am Donnerstag, den 16.April 2015 unterstrich Frau Riedmaier die Bedeutung der Erinnerungsarbeit, die 70 Jahre nach Beendigung des 2. Weltkriegs in Europa geleistet wurde. Dabei betonte sie, dass die Aufarbeitung der Geschichte auch für die junge Generation wichtig sei, denn nur wer seine Geschichte kenne, könne sich auf die gemeinsame Zukunft vorbereiten. Nach einer Begrüßung durch den Schulleiter, Herrn Philipp Gerlach, umriss Frau Dr. Annette Kliewer die Problematik des Projekts: Für die fünf Nationen sind unterschiedliche Punkte in ihrer nationalen Erinnerung wichtig: Während die Deutschen die Umbruchssituationen 1945 und 1989 thematisieren, ist für die Franzosen auch das Ende der Kolonialzeit von Bedeutung. Polen und Litauen setzen den Schwerpunkt auf die Befreiung vom Stalinismus und der russischen Fremdherrschaft. Die Norweger schließlich zeigen, dass wir im “Haus Europa” nicht mehr unter uns sind, sondern auch die Erinnerungskulturen der Immigranten aus der ganzen Welt einbeziehen müssen und sie erinnern an das schreckliche Attentat von Utøya, bei dem 69 junge Menschen getötet wurden. Dass die Schüler des Comenius-Projekts in den vergangenen 18 Monaten zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen sind, zeigt nicht nur ihre Ausstellung, sondern das spürte man auch bei den musikalischen Beiträgen des Abends: Hier musizierten Schülerinnen aus Norwegen, Frankreich und Deutschland gemeinsam.

Die Kunstlehrerin Annet Waßmer führte in die Ausstellung ein, indem sie knapp auf Besonderheiten der vielfältigen Werke hinwies, die bis zum 5. Mai im Kreishaus zu sehen sind. Neben den Arbeiten von Schülern aus dem Comenius-Projekt aller fünf Länder sind dort auch solche von Schülern aus anderen Kunstkursen des Bergzaberner Gymnasiums zu bestaunen. Collagen zur Geschichte Deutschlands, Polens, Frankreichs, Norwegens und Litauens, die bei dem Treffen in Vilnius im Februar 2014 zusammengestellt wurden, zeigen eindrücklich, wie sich die Schüler mit der Geschichte der Partnerländer beschäftigt haben. Gipsmasken aus dem Kunst-Workshop von Frau Waßmer sind beklebt mit Erinnerungen an die persönliche Geschichte der Schüler. Stefanie Tuschner ließ ihre Schüler in gestickten Bildern ausdrücken, welche Erinnerungen Menschen wohl haben könnten, von denen sie außer Fotos und Lebensdaten nichts wissen. In großflächigen Monographien werden historisch bedeutsame Bilder von Schülern des Kunstlehrers Franz Leschinger präsentiert. Feine Zeichnungen von litauischen Schülern verweisen auf die leidvolle Geschichte ihres Landes. Die Partner aus Norwegen greifen die Diskussion um das Natur-Denkmal in Erinnerung an das Attentat von Utøya im Jahr 2011 auf, die Franzosen zeigen historische Darstellungen ihrer Stadt Dijon, die Polen schließlich reflektieren mit einem interaktiven Puzzle die gemeinsame Arbeit im Projekt.
Nach der Eröffnung der Ausstellung wurde das Thema “Erinnerungskulturen” noch auf eine andere Weise lebendig: In einer Debatte, die im “Jugend-debattiert” – Format durchgeführt wurde, sprachen litauische und deutsche Schülerinnen und Schüler über das Thema “Sollen politisch überkommene Denkmäler konserviert werden?”, eine Frage, die in beiden Ländern aktuell ist. Auf der Pro-Seite betonten der litauische Schüler Žygimantas Marcinkus und die deutsche Schülerin Stefanie Müller, dass Denkmäler zu der Geschichte eines Landes gehören und man diese daher nicht einfach “abreißen” könne, ja dass nur durch die direkte Begegnung mit diesen Denkmälern auch die problematischen Seiten der Erinnerungskultur bewahrt werden können. Auf der Contra-Seite hielten die Litauerin Emilė Paskočimaitė und die Deutsche Romy Hoffart dagegen, dass dies hohe Kosten mit sich bringe und man gar nicht sicher sei, ob diese Denkmäler nicht auch von denen missbraucht werden könnten, die die alten politischen Strukturen wiederaufleben lassen möchten. Die deutsche Lehrerin Eleonore Beinghaus, die zusammen mit der litauischen Lehrerin Danute Sirkute das Thema mit den Schülern vorbereitet hatte, lobte die engagierte Debatte der vier Schüler und hob die herausragende Leistung der litauischen Schüler hervor, mussten sie doch komplexe Zusammenhänge in einer Fremdsprache entwickeln. Der Beifall der Zuschauer würdigte abschließend diese besondere Schülerleistung.

BEI, 4/15