„Über Europa reden ist meine Mission”


Wie funktioniert eigentlich Politik auf Europaebene? Wie wird ein Gesetz verabschiedet? Wie ist das Europäische Parlament aufgebaut? 
Schüler der Klassen 10a und 10c des Gymnasiums im Alfred-Grosser-Schulzentrum Bad Bergzabern beschäftigten sich in einem Plan- und Rollenspiel des Informationsbüros des europäischen Parlaments vom 18. bis 19.02.2016 mit dem Thema Europa und der allgegenwärtigen Flüchtlingsproblematik.

Jeder der Teilnehmer erhielt eine Rollenkarte, wie die Schülerin Selina Kunz erklärt. Besonders faszinierend fand sie den Einblick in die Arbeitsweise der europäischen Union. Die Meinung, die die Schüler zu vertreten hatten, war auf diesen Rollenkarten vorgegeben, wie Ann-Kristin Lutz, ebenfalls Schülerin und fiktive Repräsentantin Polens, erläuterte. Ein Infoheft führte die Schüler theoretisch in die Thematik Europaparlament ein, jedoch, so Lena Eichenlaub aus der Jahrgangsstufe 10, war der Prozess der Gesetzgebung im Rollenspiel sehr viel verständlicher als in der Theorie auf Papier. An diesen beiden Tagen hatte die Aula der Schule durch die großen Tischgruppen eine ganz andere Wirkung auf jeden, der sie betrat. Man fühlte sich klein, mehrere Europaflaggen zierten die Aula, Länderflaggen befanden sich an den einzelnen Plätzen der Abgeordneten. „Das hier ist große Politik”, sagte Pete Allmann, der Schulleiter des Gymnasiums im Alfred-Grosser-Schulzentrum Bad Bergzabern, in seiner Begrüßungsrede für die Abgeordnete des europäischen Parlaments in Straßburg, Jutta Steinruck. Pete Allmann bezeichnete sie als eine Politikerin die „nah am Volk, nah an Schulen ist, für Europa glüht und eine Passion für Europa hat”.

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Lehrer Andreas Wiemer und Jutta Steinruck, MdEP

Die Schüler hatten unter anderem mit Hilfe der Lehrer Andreas Wiemer und Falk Rosenkranz verschiedene einzelne Fragestellungen zur Gesetzgebung bezüglich der Flüchtlingskrise diskutiert, die Ergebnisse wurden Jutta Steinruck, deren Besuch das Projekt abrundete, von den Ministern des Rollenspiels präsentiert. Organisiert hatte das Planspiel das Informationsbüro des europäischen Parlaments in München. Das „Parlament” der Schüler in Bad Bergzabern hatte sich darauf geeinigt einen verpflichtenden Sprachkurs von mindestens sechs Monaten für Asylbewerber einzuführen. Im Rollenspiel stellten es die Abgeordneten den verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU frei, wann sie die Arbeitsmärkte für Flüchtlinge öffnen, jedoch unter der Bedingung, dass dies frühestens nach sechs Monaten und spätestens nach zwölf Monaten geschehen darf. Der Wohnort kann frei gewählt werden, sobald Asylbewerber sich selbst eine Unterkunft finanzieren können. Zudem kam der „Rat” der Schüler zu dem Beschluss, dass Asylbewerber unter 16 Jahren, sollten sie straffällig werden, von Jugendämtern betreut werden müssen. Darüber dürfen sie bei Vergehen auch verhaftet werden. Flüchtlinge sollen in Sammelunterkünften untergebracht werden, Familien dürfen zusammenbleiben und Minderheiten, wie zum Beispiel Homosexuelle, dürfen sich laut Beschluss der Schüler in private Räumen zurückziehen.

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Die Klassen 10a und 10c, Teilnehmer an der Simulation; hinten links: Jutta Steinruck

Jutta Steinruck, die seit gut sechs Jahren Mitglied des europäischen Parlaments ist, war sehr erfreut darüber, dass die Schüler im Planspiel zu einer Einigung gekommen sind und erklärte, dass es sich oft schwierig gestaltet im echten Europaparlament zu einer Lösung zu kommen. „Was gut für Deutschland ist, kann katastrophal für Spanien sein”; so gebe es 28 Mitgliedstaaten und mit den gefundenen Lösungen, so Steinruck, müssen alle leben können. Jutta Steinruck erzählte, dass sie ihr Hobby zum Beruf gemacht habe. Sie sei über soziales Engagement zur Politik gekommen. Bezüglich der Flüchtlingsproblematik ist sie für verbindliche Quoten, „wobei man natürlich kein Land zwingen kann”. Paradox, so Steinruck, sind die umständlichen und verschiedenen Registrierungsverfahren im Zeitalter der Digitalisierung, „da hat die EU ihre Hausaufgaben nicht gemacht”, sagte sie mit einem kleinen Lächeln auf dem Gesicht. Auch sollten laut Jutta Steinruck alle Mitgliedsstaaten der EU die Sicherung der Außengrenzen als gemeinsame Aufgabe ansehen, auch wenn sie nicht selbst betroffen sind. Das bedeute aber nicht, dass wir eine „Festung Europa” brauchen, stellte Steinruck klar, jedoch sind Reglungen zur gerechten Verteilung von Flüchtlingen vonnöten.
Sie warb für den Erhalt der Europäischen Union. Dadurch würde nationalen Egoismen und letztlich auch Kriegen in Europa vorgebeugt. Wenn es Europa nicht mehr gebe, „wo wollt ihr denn sonst arbeiten?”, fragte sie die Schülerinnen und Schüler. „Und dass so eine schöne Aula gebaut werden kann, sei auch leichter, solange es Europa gebe. Davon profitiere unsere Wirtschaft ganz besonders. „Denkt nur an Daimler”, so Steinruck. Auf die Frage einer Schülerin, wie lange es bis zu einer Einigung noch dauere, antwortete Jutta Steinruck: „Wir im europäischen Parlament haben Lösungen, aber Europa muss demokratischer werden. Es muss ein Parlament geben, das auf Augenhöhe verhandelt.” Die Flüchtlingskrise solle dadurch beseitigt werden, dass „wir gemeinsam daran arbeiten, die Situation in den Krisenregionen zu verbessern”, sagte die Abgeordnete. Dazu sei es aber wichtig, dass Europa mit einer Stimme spreche. Entwicklungspolitik müsse nachhaltig sein und zum Thema Waffenexporte sagte Jutta Steinruck: „Sind wir an Krisen nicht auch mitschuldig?” Immer wieder betonte sie die Notwendigkeit, sich zu einigen. Auch der Schutz der europäischen Grenzen sei eine gemeinsame Aufgabe. „Wir brauchen auch ein gemeinsames Einwanderungsgesetz, um qualifizierte Menschen aus der ganzen Welt anzuwerben”, so die Politikerin. Schließlich drohte Steinruck auch, dass Ländern, die sich nicht an gemeinsamen Lösungen beteiligten, in Zukunft auch EU-Mittel gekürzt werden könnten. „Man darf nicht immer nur das Beste für sich rausholen wollen! Ich bin auch nicht Abgeordnete für Deutschland, sondern aus Deutschland.”
Zum Abschluss betonte sie noch, dass sie für eventuelle Fragen über soziale Netzwerke erreichbar ist. Jutta Steinruck appellierte auch an die Schüler, zur Wahl zu gehen, denn durch Nichtwähler würden die extremistischen Parteien gefördert.
Bei den Schülern hinterließ das Projekt einen bleibenden Eindruck. Sie waren komplett in die Rolle von Abgeordneten geschlüpft. Die Jungs trugen Anzüge, die Mädchen Kostüme – ganz professionell. Was anfangs schwierig schien, stellte sich doch als machbar heraus, so Rahel Schmalz, die Griechenland repräsentierte und sich immer mehr und mehr in ihrer Rolle fand.

Xenia Y. Zimmermann, VOL, 1/16