Gymnasiasten aus Bad Bergzabern im Konzentrationslager Natzweiler-Struthof


So vergleichsweise klein dieses Lager in rund 800 Metern Höhe auf einem zugigen Berggipfel der Vogesen auch ist, so schrecklich sind dennoch die Verbrechen, die dort zwischen Mai 1941 und Novem-ber 1944 begangen wurden. Die mehr als hundert Schülerinnen und Schüler, die auf zwei Termine verteilt diese KZ-Gedenkstätte besuchten, erfuhren beim Rundgang durch das terrassenförmig am Berghang auf einer ehemaligen Skipiste angelegte Lager quasi aus erster Hand, was die dort inhaftierten Menschen erleiden mussten. Denn ein Überlebender, der holländische Rechtsanwalt und Widerstandskämpfer Floris Bertold Bakels, hatte im Lager heimlich Tagebuch geführt und es 1977 in erweiterter Form als Buch veröffentlicht. Aus diesen Aufzeichnungen lasen die Jugendlichen vor Ort Textauszüge – am Lagerzaun, unter dem Galgen, am Krematorium, vor der Gaskammer – und erfuhren, wie grausam und gnadenlos hier gequält, gefoltert und gemordet wurde. Man muss nicht nach Auschwitz fahren, um mit dem menschenverachtenden Verbrechen der SS-Männer und -Frauen und den pseudowissenschaftlichen medizinischen Menschenversuchen sogenannter Ärzte und Professoren konfrontiert zu werden.

Die Betroffenheit der jungen Menschen, für die die Zeit des Nationalsozialismus weit entfernt ist, zeigte sich in der Fülle der Fragen, die immer wieder gestellt wurden. Hinter vielen scheinbar sachlichen Fragen war das Entsetzen darüber erkennbar, wie Menschen anderen Menschen so etwas antun können, sie am Galgen qualvoll ersticken, im Steinbruch von Hunden zerfleischen oder im Krematorium bei lebendigem Leibe verbrennen zu lassen. Oder sie einfach sich zu Tode schuften zu lassen – „Vernichtung durch Arbeit” hieß das damals. „Wer bewusstlos zusammenbricht, wird auf ein kleines Plateau neben den Halden geworfen. Er arbeitet nicht, also wird er später auch nicht essen”, schreibt Bakels.

Das Lager ist regelmäßig Ziel von Schulklassen aus Frankreich, aber auch aus dem benachbarten Südwestdeutschland, wohin schon bald Tausende Häftlinge zur Sklavenarbeit in Rüstungsbetrieben geschickt wurden. Rund 90 solcher Außenkommandos gab es in Württemberg und in Baden, einige wenige auch im Elsass, in Lothringen und an der Mosel.

Seit mehr als zehn Jahren organisiert die Fachschaft Geschichte des Alfred-Grosser-Gymnasiums Bad Bergzabern diese Fahrt in die Vogesen, um einen wichtigen Aspekt der Geschichte des Nationalsozialismus anschaulich zu machen. Finanziell unterstützt wurde die Schule dabei in diesem Jahr durch die örtliche Sparkasse SÜW sowie den Förderverein des Gymnasiums. Ohne deren Unterstützung wären diese so wichtigen KZ-Gedenkstättenfahrten nur schwer finanzierbar und daher in Frage gestellt.

Der französische Staat hat das ehemalige Lager zu einer Gedenkstätte für die europäischen Widerstandskämpfer umgestaltet, denn hier waren vorwiegend politische Gegner aus den im Krieg von Deutschland besetzten Ländern eingesperrt, u.a. die sog. „Nacht- und Nebel”-Häftlinge, die nach Hitlers Willen spurlos verschwinden sollten. Natzweiler-Struthof ist eines der wenigen Konzentrationslager – nicht Vernichtungslager – außerhalb Deutschlands.

Ein Mahnmal inmitten eines Friedhofs oberhalb des Lagers ehrt die Widerstands-ämpfer aus mehr als 30 Nationen, die hier inhaftiert waren oder gestorben sind. In einem Dokumentationszentrum wird an die großdeutschen Konzentrationslager sowie die Gettos und Vernichtungslager in Osteuropa erinnert. Mit großformatigen exemplarischen Bildern wird die NS-Zeit dargestellt, kurze Filme visualisieren das Thema zusätzlich.

Im Steinbruch in der Nähe des Lagers wurde roter Granit für Hitlers geplante Großbauten in Berlin gebrochen, später wurden hier Flugzeugmotoren montiert und repariert. Die Sandgrube oberhalb des Lagertors diente als Hinrichtungsstätte u.a. für elsässische Jugendliche, die den Dienst in der deutschen Wehrmacht verweigerten. Eine als Museum eingerichtete ehemalige Lagerbaracke erinnert an die Häftlinge, veranschaulicht die Lebensumstände im Lager, erklärt die Umstände seiner Errichtung, seiner Evakuierung und Befreiung. Es war das erste Lager überhaupt, das die Alliierten vor Kriegsende erreichten. Befreien konnten sie allerdings niemanden, denn im November 1944 waren die Insassen, soweit sie dazu noch in der Lage waren, auf den Todesmarsch nach Dachau geschickt worden. Die wenigsten überlebten.


ER, 5/15