Comenius-Gruppe besucht die Oper „Die Passagierin“

Unsere Arbeit im Projekt ist derzeit von Zeitzeugeninterviews geprägt, wir befragen Menschen, die z.B. einen Umbruch wie 1945 selbst erlebt haben. Ihre Erinnerung lassen wir uns erzählen, um daran in verschiedenen Formen weiter zu arbeiten.

Aber in unserem Fall war das Stichwort Erinnerung genau das Thema der Oper und so besuchte die Comenius-Gruppe am 13.05.14 eine Opernaufführung des Badischen Staatstheaters Karlsruhe. Das Stück trägt den Namen „Die Passagierin“ und beschäftigt sich mit dem Leben einer Gefangenen im Konzentrationslager Auschwitz sowie mit einer Aufseherin in eben jenem Lager. Es basiert dabei auf einem autobiographischen Roman von Zofia Posmysz und wurde von Mieczysław Weinberg dann als Oper adaptiert. Das Stück spielt zunächst auf einem Schiff, wo sich beide Frauen während einer Schiffspassage nach Brasilien wieder begegnen. Dann – als Erinnerung – wird die Handlung in Auschwitz, also in einem Konzentrationslager, eingeblendet. Das Bühnenbild war aber sehr minimalistisch und so wurden die Schauplätze nur durch ein, zwei Bühnenelemente und durch Lichteffekte angedeutet. Dies war angesichts des Themas aber angemessen, da man so nicht von der Handlung abgelenkt wurde. Außerdem hätte das Stück durch ein spektakuläres Bühnenbild ja auch einen allgemein spektakulären Charakter bekommen, was die Absicht des Stückes, eine dramatische Beziehung der beiden Frauen zueinander darzustellen, nicht nur verfälscht, sondern gar verfehlt hätte. Auch die Musik war wie das Bühnenbild etwas anders als zum Beispiel bei einer Oper von Puccini. Während bei „Tosca“ zum Beispiel die Orchestermusik von der Lautstärke gleichrangig mit der des Opernsängers ist, ist die Orchestrierung dieser Komposition meistens etwas leiser, hält sich im Hintergrund. Die Musik ist mitunter auch weniger harmonisch und melodisch komponiert, obwohl es auch einige lyrische Passagen gibt. Sie wurde dem Thema der Oper angepasst und spiegelt es so wider. Das Sängerensemble beeindruckte uns durch seine Stimmkraft und Vielfältigkeit, interessant war dabei auch, dass die Sänger in den jeweiligen Sprachen der Häftlinge (Polnisch, Jiddisch, Französisch und Russisch) sangen, die Aufseher und KZ-Schergen dagegen auf Deutsch.

Für viele der Schüler war dies ihr erster Opernbesuch, was zunächst die Befürchtung bei den Lehrern weckte, dass die Schüler wegen des schweren Themas eher abgeschreckt werden und die Oper in Zukunft  meiden könnten. Wie sich aber herausstellte, waren die Schüler ergriffen und sehr angetan von der Oper. Einige können sich vorstellen, nun auch mal privat in die Oper zu gehen. Das Projekt bietet somit die Möglichkeit, neue Bereiche zu entdecken, die vielleicht nicht der typischen Freizeitgestaltung eines Jugendlichen entsprechen. Eine große Ehre war aber, dass wir nicht nur die Oper für uns entdecken konnten, sondern es uns ermöglicht wurde, mit dem Dramaturg Bernd Feuchtner und dem Regisseur Holger Müller-Brandes des Stücks zu sprechen. Auf Einladung von Frau Beinghaus kamen die beiden zwei Tage nach dem Beuch der Aufführung, am 15.05., an unsere Schule und haben mit uns über das Stück und die Inszenierung gesprochen. Die Schüler und Lehrer konnten in erster Linie Fragen zum Stück stellen. So konnten Eindrücke, aber auch Unklarheiten direkt mit dem Dramaturgen und dem Regisseur besprochen werden. Diese Chance ergibt  sich wohl nicht oft und so war es umso interessanter, nicht nur in die Oper zu gehen und das Stück für sich zu verarbeiten, sondern die Absichten hinter den einzelnen Elementen zu erfragen und so das Stück besser nachzuvollziehen. Der Regisseur hat uns auch Vieles über die Komposition erklärt, über wiederkehrende Motive (Leitmotive) und die ihnen zugeordneten Akkorde, die die jeweiligen Figuren entsprechend charakterisieren. Das hatten wir alle nicht so wirklich erkannt, aber jetzt wurde uns aufgezeigt, welche Aspekte einem noch geöffnet werden können, wenn man sich intensiv mit einer Oper auseinandersetzt.
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Regisseur Holger Müller-Brandes und Dramaturg Bernd Feuchtner zum Operngespräch in der Schule

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Schüler im Operngespräch

Das Comenius-Projekt bot den Teilnehmern somit die Möglichkeit, Auseinandersetzung mit Erinnerung und Geschichte auf eine ganz ungewöhnliche Weise zu erfahren. Und jetzt geht es hoffentlich noch weiter. Weil nämlich die heute bald 90-Jährige Zofia Posmysz in polen lebt, möchten wir sie unterstützt durch unsere polnischen Partner in Wadowice interviewen. Das wird bestimmt ein ganz besonderes Zeitzeugeninterview.

Steffi Müller, BEI 7/14